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Lohntransparenz nützt nur wenigen Beschäftigten

»Gender Pay Gap« nennt man die berüchtigte Gehaltslücke, die oft noch zwischen Frauen und Männern im gleichen Beruf klafft. Aber nur wenige Beschäftigte machen von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch, das diese Lücke schließen soll, wie ein Regierungsbericht zeigt. Der DGB fordert, das Gesetz jetzt deutlich nachzuschärfen.

Seit dem 6. Juli 2017 gilt das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Es soll die – auch im Grundgesetz und anderen Gesetzen garantierte – Gleichbehandlung von Männern und Frauen fördern, in diesem Fall beim Arbeitsentgelt.

Zur Durchsetzung des Benachteiligungsverbots regelt das Gesetz einen Auskunftsanspruch: Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten müssen seit Januar 2018 ihren Beschäftigten auf Anfrage mitteilen, nach welchen Kriterien sie deren Gehalt bemessen. Damit sollen diese prüfen können, ob ihr Gehalt dem von im Betrieb beschäftigten Vergleichspersonen des anderen Geschlechts entspricht. Den genauen Inhalt und Umfang der Auskunft regeln §§ 10 bis 16 EntGTranspG. 


Gesetz findet wenig Anwendung

Allerdings mehren sich die Hinweise, dass das Gesetz in der Praxis nur wenigen Beschäftigten nützt. Zu diesem Schluss kommt das zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das die Wirksamkeit des neuen Gesetzes überprüft hat.

Nach dem am 10.7.2019 veröffentlichten Evaluationsbericht über das neue Gesetz:

  • haben bisher nur 4 Prozent der berechtigten Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten von ihrem Recht auf Auskünfte zum Gehalt von ihrem Arbeitgeber Gebrauch gemacht (Bericht S. 5).
  • hingegen hätten 43 bis 45 Prozent der befragten Unternehmen mit über 200 Beschäftigten auf freiwilliger Basis ihre Tarifstrukturen überprüft (Bericht S. 6).

In ihrer Stellungnahme kommt die Bundesregierung zu dem Schluss, insgesamt seien »das Entgelttransparenzgesetz und seine Instrumente bislang noch nicht ausreichend bekannt, was auch die Wirksamkeit des Gesetzes beeinträchtigt.« Die Regierung hält es für notwendig, »die Bekanntheit des Entgelttransparenzgesetzes und seiner Instrumente weiter zu erhöhen« (Bericht S. 5).


Gewerkschaften fordern Nachbesserung

Bereits im Januar hatte die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gemeldet, dass bisher nur wenige Unternehmen von dem Gesetz Gebrauch gemacht haben (HBS, 11.1.2019).

Nach deren Erkenntnissen hatte ein Großteil der Unternehmen sieben bis zehn Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, noch keine Aktivitäten unternommen, um dieses umzusetzen. In nur zwölf Prozent der Betriebe mit Betriebsrat sei die Geschäftsführung von sich aus aktiv geworden. 

Allerdings hätten Betriebe, die sich nach Einschätzung der befragten Betriebsräte bemühen, »dass die Mitarbeiter gerne hier arbeiten«, und die bestrebt sind, die „Arbeit menschengerecht zu gestalten“, auch die Entgelte deutlich häufiger überprüft. Die Forscher der Hans-Böckler-Stiftung raten dazu «das Entgelttransparenzgesetz verbindlicher auszugestalten.«

Diese Forderung vertritt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit Nachdruck. In einer Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack:

»Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Alle drei Kernelemente des Gesetzes – Auskunftsanspruch, Prüfverfahren und Berichtspflicht – entfalten in der jetzigen Form nicht die beabsichtigte Wirkung.«

Das Gesetz bleibe in seiner aktuellen Fassung »an den entscheidenden Stellen nicht konsequent ausgestaltet und bleibt weit hinter dem selbstgesteckten Ziel zurück, gleiche Löhne für Frauen und Männer zu erreichen.«


DGB fordert: »Gesetz auf scharf stellen«

Der DGB fordere daher »das Gesetz auf scharf zu stellen«. Im einzelnen fordert der DGB in seiner Stellungnahme, die folgende Instrumente ins Gesetz aufzunehmen:

  • Auskunftsrecht für alle Beschäftigten, unabhängig von der Betriebsgröße;
  • Pflicht zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren;
  • Förderung zertifizierter Prüfverfahren durch wirksame Anreize;
  • Abschaffung der Privilegierung tarifanwendender Unternehmen;
  • Standardisierung der Berichtspflicht für Unternehmen in Inhalt und Form;
  • echte Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates/Personalrates, insbesondere bei Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männer, v.a. beim Entgelt;
  • Verpflichtung des Arbeitgebers, aussagekräftige Gehaltsübersichten mitsamt allen relevanten Entgeltbestandteilen für die Interessenvertretungen bereitzustellen;
  • empfindliche Sanktionen bei Nichteinhalten der Vorgaben;
  • regelmäßige, umfassende Evaluation der Wirksamkeit des Gesetzes;
  • Einführung eines Verbandsklagerechts, damit die Durchsetzung ihrer Rechte nicht den einzelnen Beschäftigten aufgebürdet wird.


Gesetz bleibt auf dem Prüfstand

In Ihrer Stellungnahme zum Evaluationsbericht hat die Bundesregierung angekündigt, die Erkenntnisse aus dem Gutachten zusammen mit der Fachöffentlichkeit und den Sozialpartnern breit diskutieren zu wollen.

Da zu dieser Fachöffentlichkeit auch Betriebsräte, Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervertretungen gehören, besteht Hoffnung, dass das Gesetz noch effektiver überarbeitet wird.


Quelle: www.bund-verlag.de