Immer mehr Gewalt: Risikogruppe Staatsdiener
Rettungskräfte, Polizisten oder ganz gewöhnliche Behördenmitarbeiter erleben immer wieder, dass ihnen Aggressionen entgegenschlagen, immer häufiger auch körperliche Gewalt gegen die eigene Person. Diese Erfahrung hat knapp die Hälfte der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst schon einmal gemacht, wie eine neue Studie zeigt. Personalräte müssen aktiv werden.
»Der DGB befasst sich seit gut vier Jahren mit dieser Problematik. So haben wir 2018 eine umfangreiche Broschüre dazu veröffentlicht und wie in den Jahren zuvor mittels Veranstaltungen auf das Problem hingewiesen«, erklärt Henriette Schwarz, Leiterin der Abteilung Öffentlicher Dienst und Beamtenpolitik beim DGB, auf Nachfrage des Bund-Verlags. Zudem soll in den kommenden zwei Jahren die Initiative »Vergiss nie: Hier arbeitet ein Mensch« mit bundesweiten Plakataktionen und Veranstaltungen klar gegen Gewalt Stellung beziehen. »Grundsätzlich ist uns wichtig, dass wir sichtbar machen, dass es sich bei den Beschäftigten um Persönlichkeiten handelt, denen mit Respekt zu begegnen ist, wie jedem anderen Menschen auch«, sagt Schwarz.
Angst vor Übergriffen als Begleiter im Arbeitsalltag?
Dass es höchste Zeit ist, die Gewaltproblematik noch stärker in die Öffentlichkeit zu tragen als bisher, belegen aktuelle Zahlen des dbb Beamtenbundes: Jeder zweite Staatsdiener ist einer Forsa-Umfrage zufolge, die der dbb in Auftrag gegeben hat, bereits mit Drohungen oder Gewalt konfrontiert worden. Aber nicht nur Beschäftige beklagen solche Vorfälle. Über ein Viertel aller Befragten gibt an, Übergriffe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst beobachtet zu haben. Von diesen Angriffe sei die Hälfte körperlicher Art gewesen.
Die gesetzliche Unfallversicherung und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) bezeichnen aks Gewalt »jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person im Verlauf oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht, verletzt, verwundet wird.«
Wissen, was passiert
Die Suche nach den Ursachen solcher Eskalationen gestaltet sich als schwierig. Eine große Mehrheit (83 Prozent) der Umfrage-Teilnehmer nennt eine Verrohung der Gesellschaft als mögliche Ursache. So auch der DGB. Greifbar ist das allerdings bisher fast ausschließlich über Fallbeispiele, wenn Betroffene bei gezielten Befragungen darüber berichten. Der DGB fordert daher eine fundierte Datenbasis: Die Dienstherren und Arbeitgeber stünden in der Verantwortung, Fälle detailliert und nach einheitlichen Gesichtspunkten zu erfassen. Sonst bestehe die Gefahr, dass Maßnahmen ins Leere laufen und die Schicksale der Beschäftigten unter den Tisch fallen.
Das ist zu tun
In erster Linie ist also die Arbeitgeberseite in der Pflicht. Aber auch Personalräte können und müssen aktiv werden. Michael Kröll, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Referent für arbeits- und personalvertretungsrechtliche Themen und seit 2006 Verantwortlicher Redakteur der Fachzeitschrift »Der Personalrat« rät Interessenvertretern, sich zunächst ein Bild von der Situation in der Dienststelle zu verschaffen. Und dann ein Instrument zu nutzen, dass der Gesetzgeber bereitgestellt hat: die Gefährdungsbeurteilung. Richtig eingesetzt, lassen sich mit ihr auch Gefahren durch Gewalt gegen Beschäftigte eindämmen. Zudem sei immer zu prüfen, ob Vorfälle strafrechtlich relevant sind und zur Anzeige gebracht werden können. Zudem sollte der Dienstherr von seinem Hausrecht gebrauch machen und wenn möglich Hausverbote aussprechen.
»Am wichtigsten ist, dass die Betroffenen Ansprechpartner haben«, erklärt Kröll. Der Dienstherr dürfe sie nicht mit ihrer Negativerfahrung alleine lassen. Personalräte sollten darauf hinwirken. Dabei sei darauf zu achten, dass es sich um geschultes Personal handele, etwa Psychologen – und dass dafür Mittel zur Verfügung stehen. Mit speziellen Trainings und Schulungen könnten Beschäftigte auf kritische Situationen und Bedrohungslagen vorbereitet werden.
DGB-Broschüre mit Tipps und Ansprechpartnern
Auf Prävention setzt auch der DGB, der mit der Broschüre »Wider die Normalisierung« (zu finden unter https://www.dgb.de/gewalt-gegen-beschaeftigte) Führungskräften im öffentlichen Dienst, Personalräten und Beschäftigten Informationen an die Hand gibt, um mit Gewaltsituationen am Arbeitsplatz umzugehen. Die Publikation bietet zudem Informationen, was zu tun ist, wenn es zu Gewalthandlungen kommt, wofür der DGB Leitfäden der Unfallkassen, von Polizei und Forschung zusammengefasst hat. Diese Leitfäden zeigen: Mit Lehrgängen für Beschäftigte und Betreuungsmaßnahmen von Betroffenen ist es nicht getan. Mehr Personal wäre nötig, das fordert der DGB. In vielen Arbeitsstellen bräuchte es bauliche Maßnahmen, um den Mitarbeitern Sicherheit zu bieten – zum Beispiel mit schnell erreichbaren Fluchtwegen oder Sicherheitseinrichtungen wie Trennglasscheiben. Auch Eingangskontrollen empfehlen die ausgewerteten Leitfäden der Sicherheits-Experten.
Das Problem: Sicherheit für Beschäftigte kostet Geld. Und bislang wird im Öffentlichen Dienst vielerorts zu Lasten der Staatsdiener gespart.
Quelle: www.bund-verlag.de