Wann eine Kündigung ohne BEM zulässig ist
Nur ausnahmsweise kann der Arbeitgeber krankheitsbedingt kündigen, ohne zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Dies ist etwa der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer dem Verfahren ohnehin nicht zugestimmt hätte - so nun das LAG Berlin-Brandenburg.
In der Regel muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen, um dem Arbeitnehmer die Chance zu bieten, langsam und schrittweise wieder ins Arbeitsleben zurück zu finden. Ohne Durchführung dieses Verfahrens kann der Arbeitgeber regelmäßig keine Kündigung wegen Krankheit (= personenbedingte Kündigung) aussprechen. Doch gibt es davon Ausnahmen.
Das war der Fall
Der Arbeitnehmer ist seit mehr als dreieinhalb Jahren arbeitsunfähig erkrankt. Neben einer Verletzung durch einen Arbeitsunfall und einer Asthmaerkrankung leidet er an einer psychischen Erkrankung. Diese führt er auf die widrigen Arbeitsumstände und die Tatsache zurück, dass sein Chef ihm zu Unrecht mehrfach Abmahnungen erteilt und ihm wiederholt vorgeworfen hat, »einen auf Rentner« zu machen. Diese Vorgehensweise habe bei ihm – so der Arbeitnehmer – zu einer erheblichen psychischen Blockade geführt. Der Chef könne diese allerdings leicht auflösen, in dem er sich bei ihm für sein Verhalten entschuldige.
Der Arbeitgeber sieht das anders. Er sieht sich nicht als Verursacher der psychischen Probleme. Zudem meint er, der Arbeitnehmer könne nicht verlangen, zum Geschäftsführer des Unternehmens keinen Kontakt mehr zu haben. Der Arbeitgeber hält die Durchführung eines BEM hier für zwecklos und kündigte ihm daher wegen Krankheit (ordentliche personenbedingte Kündigung).
Das sagt das Gericht
Das Gericht sieht die Kündigung als wirksam an. Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Maßstab dafür ist das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 1 und 2 KSchG). Bei lang anhaltenden Krankheiten prüfen die Gerichte die soziale Rechtfertigung in drei Stufen. Eine Kündigung ist danach sozial gerechtfertigt wenn:
- eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt (erste Stufe)
- eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist (zweite Stufe)
- und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (dritte Stufe).
Das Gericht stellt in diesem Fall eine negative Prognose für die Zukunft: Der Kläger sei langandauernd erkrankt. Für die die weitere Fortdauer der Krankheit spricht, so die Richter, und damit für. Der Arbeitnehmer gebe – so die Richter hier - nicht zu erkennen, ob er sich in ärztlicher Behandlung befinde und durch welche Therapie er seinen psychischen Zustand verbessern wolle. Er habe es bisher immer verweigert mit dem Arbeitgeber über Therapiemöglichkeiten zu sprechen. Alle Angebote habe er abgelehnt.
Fehlendes BEM spielt ausnahmsweise keine Rolle
Die Kündigung ist auch nicht unverhältnismäßig, weil das betriebliche Eingliederungsmanagement (§ 167 Abs. 2 SGB IX) unterblieben ist, entschied das Gericht.
Denn es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Einladung zur Teilnahme an einem BEM-Gespräch nicht angenommen hätte. Er habe sich gegenüber dem Arbeitgeber auch vorher nicht zu seinem Gesundheitszustand geäußert. Er sei selbst der Einladung des Integrationsamtes nicht gefolgt, im Zusammenhang mit der geplanten Kündigung zu einem Gespräch zu erscheinen, weil er das Betriebsgelände nicht betreten könne. Bei dieser Sachlage spreche nichts dafür, dass der Kläger einer Einladung zu einem BEM-Gespräch gefolgt wäre.
Das muss der Betriebsrat beachten
Eigentlich müssen Arbeitgeber bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit immer zunächst ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen. Im Rahmen dieses besonderen Verfahrens, an dem neben Arbeitgeber und erkranktem Arbeitnehmer auch der Betriebsrat und ärztliches Fachpersonal beteiligt sind, sollen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gefunden werden. Unterbleibt ein BEM, ist eine Kündigung normalerweise unverhältnismäßig und damit unwirksam.
Es gibt allerdings einige wenige Fälle, bei denen die Gerichte es als unerheblich ansehen, dass der Arbeitgeber kein BEM versucht, weil abzusehen ist, dass dieses keine Ergebnisse bringt und keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigt. Ein solcher Fall lag hier wohl vor. Allerdings sollten Betriebsräte beachten, dass es wirklich ein Ausnahmefall ist – üblicherweise hilft es, zunächst auf das Fehlen des BEM zu verweisen, um die Kündigung abzuwehren.
Quelle: www.bund-verlag.de