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Betrug auch mit Wissen des Vorgesetzten möglich

Lässt sich ein Arbeitnehmer jahrelang für nicht geleistete Überstunden bezahlen, ist dies ein schwerer Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber kann deshalb fristlos kündigen – selbst wenn der Arbeitnehmer dies mit stiller Billigung seines Vorgesetzten getan hat. Von Bettina Krämer.


Darum ging es:

Der Arbeitnehmer wurde wegen mehrjährigen Arbeitszeitbetrugs außerordentlich gekündigt. Der 51-Jährige Arbeitnehmer war beim Nationaltheater Mannheim, einem kommunalen Eigenbetrieb, als Abteilungsleiter der Fahr- und Sonderdienste lange Jahre beschäftigt. Der Arbeitnehmer wurde nach dem TVöD bezahlt. Der Arbeitnehmer erfasste seine Überstunden selbst durch Formulare.


Im Jahr 2012 wurde ihm aufgrund einer Änderung seiner Tätigkeit die bisherige Erschwerniszulage gestrichen. In diesem Zusammenhang teilte ihm die zuständige Personalreferentin in Anwesenheit seines Vorgesetzten mit, dass der bisherige monatliche Zuschlagsbetrag der Vergütung etwa sieben Überstunden entspreche. In diesem Umfang, schlug sie ihm vor, könne der Arbeitnehmer doch übergangsweise zusätzliche Überstunden aufschreiben. Der Arbeitnehmer tat dies über mehrere Jahre, der Vorgesetzte und die Personalreferentin unterzeichneten immer ohne die tatsächliche Zahl der Überstunden zu überprüfen. Im Rahmen des Jahresabschlusses 2015/2016 stellte der Arbeitgeber einen erheblichen Überstundenumfang fest, kam auf die »Schummelei« und sprach eine fristlose Kündigung aus. Der Arbeitnehmer fand nicht, dass sein Verhalten falsch war. Er meinte, dass durch die zusätzlich aufgeschriebenen Überstunden nur ein Ausgleich für die nicht vergüteten Erschwerniszuschläge von ihm gefordert wurde. 


Das sagt das BAG: Kündigung gerechtfertigt

Das BAG hat sich damit beschäftigt, ob und unter welchen Voraussetzungen das absichtliche falsche Ausfüllen von Überstundenvordrucken, zur Zeiterfassung der Überstunden, eine fristlose außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann. Das Gericht meint, dass bei vorsätzlich falschem Ausfüllen ein Verstoß gegen Arbeitspflichten vorliegt. Der Arbeitnehmer muss die Arbeitszeit korrekt dokumentieren. Tut er dies nicht, liegt ein Betrug vor, der zu einer fristlosen Kündigung (gem. § 626 BGB) führt. Dies auch, wenn vorher nicht abgemahnt wurde. Es liege ein schwerer Vertrauensmissbrauch und eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten vor, wenn wissentlich die Zeit durch den Arbeitnehmer falsch dokumentiert wird. Der Vorsatz beim Arbeitnehmer sei auch im vorliegenden Fall zu bejahen, nachdem er vorgetragen hatte, dass es durch die Falschaufzeichnung den Wegfall der Erschwerniszuschläge ausgleichen wollte. Das BAG betonte, dass der Arbeitnehmer hier über Jahre hinweg Arbeitszeitbetrug begangen habe und die Pflichtverletzung auf Heimlichkeit angelegt gewesen sei, weil eine Kontrolle der Überstunden kaum möglich gewesen war. Auch die Vorbildfunktion des Arbeitnehmers, der seinerseits auch Personalverantwortung hatte, spreche in der Interessenabwägung gegen ihn. Das BAG nahm sogar an, dass die Pflichtverletzung so schwerwiegend war, dass der Arbeitgeber eine Hinnahme des Fehlverhaltens unzumutbar und eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung entbehrlich war. 


Zusammenwirken beim Arbeitszeitbetrug ist belastend

Der Arbeitnehmer hatte mit seinem Vorgesetzten und der Personalreferentin zusammen das Vorgehen »abgesprochen«. Auch wenn man davon ausgeht, dass er von der Personalreferentin »angestiftet« wurde, meinte das BAG, seit das bewusste (kollusive) Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern nicht entlastend, sondern vielmehr belastend zu berücksichtigen. Die Vertuschung ist in diesem Fall sogar für den Arbeitnehmer noch einfacher gewesen und daher erschwerend bei der Interessensabwägung zu seinem Nachteil anzusetzen.


Praxistipp:

Nicht jeder Arbeitszeitbetrug oder »Schummelei« führt zwangsläufig zu einer wirksamen fristlosen Kündigung. Die Details sind in der Praxis oft ausschlaggebend. Die Gerichte prüfen in zwei Stufen. Ist der Grund »an sich« geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, und ob die Interessensabwägung »zu Lasten des Arbeitnehmers« ausfällt. Ob an sich ein Grund zur Kündigung vorliegt, dürfte sich zumeist ermitteln lassen. Im nächsten Schritt der Interessensabwägung ist zu prüfen, ob vorher eine Abmahnung hätte ergehen müssen. In den Fällen, in denen es um steuerbares Verhalten geht, bedarf es einer vorherigen Abmahnung oder das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist. In den meisten Fällen in der Praxis ist die Interessensabwägung das Einfallstor für die Verteidigung des Arbeitnehmers und daher besonders wichtig. Die Interessenabwägung kann ergeben, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung als milderes Mittel eine Abmahnung hätte aussprechen müssen. Wichtig ist dabei auch der Grad des Verschuldens. So kann man bei Abwägung auch dazu kommen, dass z.B. grobe Fahrlässigkeit nicht ohne Abmahnung zu einer Kündigung führt. Klar ist aber, jedes Urteil ist auch eine Einzelfallentscheidung, daher kann in manchen Fällen auch ein anderes Ergebnis am Ende stehen als -wie hier- eine wirksame Kündigung. Es lohnt sich daher auch in einem solchen Fall, um den Arbeitsplatz zu kämpfen. In der Betriebsratspraxis sollte der Betriebsrat bei der Frage der Arbeitszeit möglichst praxisnahe Regelungen unterstützen, die z.B. mit technischen Systemen funktionieren. Dann kann es schon keinen Streit um falsches Aufzeichnen von Arbeitszeiten geben. Erhält der Betriebsrat von eventuellem Arbeitszeitbetrug Kenntnis oder wird gefragt wie die Rechtslage hierzu ist, sollte er sich auf den Standpunkt stellen, dass auch »kleine Schummeleien« das Arbeitsverhältnis schnell gefährden können und unterbleiben müssen. Es gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH


Quelle: www.bund-verlag.de