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Europawahl: Arbeitszeit im Gesundheitsbereich

Das wird bald in Europa entschieden.

In den nächsten fünf Jahren wird im Europaparlament in Brüssel auch darüber entschieden, ob die Personalnot in Krankenhäusern weiter steigt. Kurzum: Es geht darum, ob das Personal im OP künftig vor Übermüdung nach überlangen Diensten schon vor dir eingeschlafen ist.

Warum ist das wichtig für Dich?

Als Beschäftigte*r will ich Arbeitsbedingungen, die es mir ermöglichen, gesund zu bleiben, Berufs- und Privatleben zu vereinbaren und bis zur Rente durchzuhalten.

Viele Studien und Untersuchungen wie die der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kommen zu dem Ergebnis, dass mit längerer Arbeitszeit auch die gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen zunehmen. Deshalb ist die Fluktuation im Gesundheitswesen auch besonders hoch. Fast die Hälfte der ausgebildeten Pflegekräfte, die ihren Beruf verlassen haben, würde zurückkehren, wenn die Arbeitsbedingungen sich verbessern würden. Jährlich verlässt auch eine nicht unerhebliche Zahl von Ärzten Deutschland, was in den meisten Fällen mit besseren Arbeitsbedingungen anderswo, insbesondere kürzeren Arbeitszeiten und der besseren Balance zwischen Familie und Beruf begründet wird.


Als Patient*in möchte ich, dass die Menschen, die mich im OP versorgen – von der Pflegekraft, dem Anästhesisten bis zur Chirurgin – ausgeschlafen und konzentriert sind. Wenn immer mehr Pflegepersonal aufhört oder krank ist, macht sich das auch in einer schlechteren Versorgung der Patient*innen bemerkbar. Das hat ganz handfeste Konsequenzen: Oft fehlt sogar die Zeit für die Desinfektion der Hände. In einer Untersuchung zur Patientensicherheit des privaten Klinikbetreibers Asklepios nach den beiden für sie größten Risikofaktoren bei einem Krankenhausaufenthalt gefragt, nannten die Patient*innen überarbeitete und/oder übermüdete Ärzte (75 Prozent) und zu wenig Pflegepersonal (64 Prozent).


Die Entscheidung kann so oder so ausfallen.

Option 1: Die Europäische Kommission will die Arbeitszeitrichtlinie für Beschäftigte im Gesundheitswesen erneut verschlechtern. Die Bereitschaftszeit soll nicht mehr als Arbeitszeit gewertet werden. Damit könnte die Arbeitszeit unendlich ausgedehnt und entgrenzt werden. An einen Arbeitstag von acht Stunden würde sich dann der Bereitschaftsdienst einfach anschließen – und könnte sehr lange ausgedehnt werden, sollte die Zeit des „Bereithaltens“ nicht mehr als Arbeitszeit gelten.

Das heißt: Bei einem 24-stündigen Bereitschaftsdienst könnte ein*e Arbeitnehmer*in so für 30 Minuten zur Arbeit gerufen werden oder auch für 11 Stunden und 59 Minuten und in Einzelfällen sogar für die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes. Und auch das ist denkbar: Ein Arbeitgeber könnte Bereitschaftsdienst sogar für Schichten von bis zu 70 oder 80 Stunden anordnen. Das eröffnet etwa die Möglichkeit, nach einem bereits 12-stündigen Arbeitstag im OP an einem Freitag gleich noch einen Wochenendbereitschaftsdienst aufgebrummt zu bekommen. 

Vor allem: Anders als bei der Rufbereitschaft, müssen die Beschäftigten zudem für die Dauer des Dienstes vor Ort im Krankenhaus sein. Je nachdem wie viele Notfälle am Wochenende eingeliefert werden, ist die Beanspruchung groß oder weniger groß. Bereits heute ist dies ein Problem bei einem 24-stündigen Bereitschaftsdienst im OP. Aber immerhin folgt diesem bisher wenigsten eine Ruhezeit.

Das Argument, dass während der Bereitschaftszeit ja geschlafen werden kann, trägt aufgrund der der anhaltend zugespitzten Personalsituation in den Krankenhäusern längst nicht mehr. Pflegepersonal und Ärzt*innen verbringen schon jetzt immer weniger Zeit mit ihrer Familie und ihren Freunden. Mit der Ausweitung der Bereitschaftsdienste würde die Entgrenzung der Arbeit noch stärker voranschreiten. 


Option 2: Die europäische Arbeitszeitrichtlinie bleibt wie sie ist. Mit ihr haben die Beschäftigten europaweit Anspruch darauf, pro Tag und pro Woche nur eine bestimmte Anzahl von Stunden arbeiten zu müssen bzw. umgekehrt das Recht auf tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten. Zudem sind Urlaubsansprüche festgelegt. Und die sind verbindlich. Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen zwar Arbeitszeitgesetze erlassen, die für die Beschäftigten besser sind, eine Schlechterstellung ist verboten.


Besser, Du entscheidest mit.

Nicht nur, wenn Dir Dein Leben lieb ist, ist es wichtig, dass Du bei der Europawahl Deine Stimme abgibst. Die Parteien im Europäischen Parlament entscheiden darüber, ob im Gesundheitswesen die Pat*innen und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Mittelpunkt stehen oder Gewinninteressen. Für Deine Gesundheit braucht es gesunde Beschäftigte. Und da zählen jetzt die Stimmen aller, aller Beschäftigten und aller Patient*innen.


Die Aussagen der Parteien.

Quelle: europawahl.verdi.de