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Mitbestimmung bei der An- und Abmeldepflicht

Sollen sich Arbeitnehmer persönlich beim Vorgesetzten abmelden, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die Meldepflicht aus Gründen des Brandschutzes anordnet. Besteht keine Einigung zwischen den Betriebsparteien, hat der Arbeitgeber die Anweisung zu unterlassen. Von Jens Pfanne.

Der Arbeitgeber betreibt deutschlandweit Kinos. In einem seiner Häuser wies er die Beschäftigten an, sich zu Beginn und Ende jeder Schicht beim Vorgesetzten zusätzlich zur elektronischen Zeiterfassung persönlich an- und abzumelden. Zur Begründung für diese Maßnahme verwies der Arbeitgeber darauf, dass nur so die exakte Anzahl der Mitarbeiter an die Feuerwehr im Brandfall mitgeteilt werden könne. Den im Betrieb gewählten Betriebsrat hat er allerdings zuvor nicht beteiligt.

Der Betriebsrat hat den Arbeitgeber auf seine Pflicht zur Mitbestimmung dann schriftlich hingewiesen. Hiervon war der Arbeitgeber allerdings nicht überzeugt. Die von ihm angeordnete Meldepflicht konkretisiere lediglich die Pflichten der Beschäftigten aus dem Arbeitsvertrag. Das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb werde hingegen nicht geregelt. Es gehe bei der Anweisung nicht um die Kontrolle von Pünktlichkeit, sondern um die Sicherheit der Mitarbeiter im Falle einer Evakuierung.

Da sich der Arbeitgeber weiterhin weigerte, den Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen, haben ihn die Arbeitnehmervertreter zum Unterlassen aufgefordert und sind vor das Arbeitsgericht gezogen.


Meldepflicht betrifft Ordnungsverhalten

Das Gericht hat sich der Auffassung des Betriebsrats angeschlossen: Der Arbeitgeber wurde verurteilt es zu unterlassen, die Beschäftigten anzuweisen sich täglichen beim Vorgesetzten persönlich an- und abzumelden.

Durch die Weisung des Arbeitgebers ist überwiegend das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb berührt und nicht bloß das Arbeitsverhalten. Der Arbeitgeber wollte das betriebliche Zusammenleben der Mitarbeiter untereinander im Betrieb regeln. Sein Ziel war es, im Brandfall über Informationen zu verfügen, die er nicht durch die ohnehin genutzte Zeiterfassung bekommen hätte. Das Gericht hat klar gestellt, dass diese Meldepflicht nichts mit dem Inhalt der Arbeitspflicht zu tun hat.


Mitbestimmung oder Direktionsrecht

Nach der für die innerbetriebliche Beteiligung zentralen Vorschrift des § 87 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in »Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer« (Ziff. 1). Die Rechtsprechung unterscheidet dabei zwischen dem »Ordnungsverhalten« und dem »Arbeitsverhalten«.

Letzteres betrifft mitbestimmungsfreie Maßnahmen des Arbeitgebers, die sich auf das Arbeits- und Leistungsverhalten der Arbeitnehmer auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer/Arbeitgeber beziehen. Dies ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die konkreten Pflichten aus dem Arbeitsvertrag näher bestimmt und damit sein einseitiges Direktionsrecht ausübt.

Davon abzugrenzen sind allgemeine Regelungen des Arbeitgebers, die nichts mit dem Inhalt der von den Arbeitnehmern zu erbringenden Arbeitsleistung zu tun haben. Sie beziehen sich auf die Sicherung des ungestörten Arbeitsablaufs sowie die Gestaltung des Zusammenlebens der Arbeitnehmer im Betrieb. Dieses sog. Ordnungsverhalten unterliegt der zwingenden Mitbestimmung durch den Betriebsrat.


Tipps für die Praxis

Die vom Arbeitgeber vorgetragenen Gründe für eine persönliche Meldepflicht als Voraussetzung für eine effektive Arbeit der Feuerwehr mögen nachvollziehbar sein. Allerdings hätte er von Anfang an den Betriebsrat in seine Überlegungen einbeziehen müssen. Schließlich wurden im Kino die Arbeitszeiten bereits elektronisch erfasst. Und aus diesen Daten hätte die jeweilige Anwesenheit der Mitarbeiter im Brandfall ebenso abgelesen werden können.

In der betrieblichen Praxis gehen Arbeitgeber regelmäßig davon aus, dass ihre Anweisungen vom Direktionsrecht gedeckt sind und der Betriebsrat nicht zu beteiligen ist. Allerdings lohnt sich ein genauerer Blick darauf, ob sich die Maßnahmen auf die Abläufe im gesamten Betrieb beziehen.

Sollte der Arbeitgeber auf seiner Meinung beharren und keine Betriebsvereinbarung zustande kommen, so ist ein Verfahren vor der Einigungsstelle einzuleiten. Hierbei unterstützen die Gewerkschaften durch den Rechtsschutz. Dies gilt im Übrigen auch für einen Prozess beim Arbeitsgericht. Dadurch kann der Arbeitgeber gezwungen werden, seine rechtswidrige Anordnung zu unterlassen (§ 23 Abs. 3 BetrVG).


Erfassung der Arbeitszeit

Neben der Ordnung des Betriebs hat der Betriebsrat auch ein Recht zur Mitbestimmung bei der Erfassung der Arbeitszeit. Vor allem im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 dürfte dieses Thema in Betrieben ohne Regelungen in naher Zukunft relevant werden. Denn nach dem Urteil sind Arbeitgeber verpflichtet, sämtliche Arbeitszeiten aller Arbeitnehmer genau zu dokumentieren. Für die praktische Umsetzung gibt es keine klaren Vorgaben. Betriebsräte sollten bei der Umsetzung die Gegebenheiten im Betrieb im Auge haben und auf praktikable Lösungen hinwirken. Ziel ist es, jedem Arbeitnehmer Einblick in seine genauen Arbeitszeiten zu gewährleisten. Die ersten Schritte in diese Richtung können schon im nächsten Monatsgespräch angegangen werden.


Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH


Quelle: www.bund-verlag.de