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So läuft die Mitbestimmung in der evangelischen Kirche

Auch in der evangelischen Kirche und Diakonie gibt es eine Mitarbeitervertretung (MAV). Welche Mitbestimmungsrechte haben die MAVen? Wo liegen die Unterschiede zur Mitbestimmung von Betriebsräten? Und warum haben MAV-Mitglieder einen Rechtsschutz zweiter Klasse? Antworten gibt Dr. Herbert Deppisch, Mitautor des Ratgebers »Tipps für neu- und wiedergewählte MAV-Mitglieder« im Interview.


Welche Mitbestimmungsrechte haben die MAVen in der evangelische Kirche und Diakonie?

Die Beteiligung der MAVen erfolgt in drei abgestuften Verfahren:

  1. Die volle Mitbestimmung. Das ist eine Art Vetorecht. Hier geht es um Themen wie Arbeitsschutz, Arbeitszeitregelungen und Überwachungsmöglichkeiten im Betrieb.
  2. Die sog. eingeschränkte Mitbestimmung. Da kann die MAV ihre Zustimmung nur unter bestimmten Bedingungen verweigern, z.B. wenn ein Gesetz, eine Vorschrift verletzt ist oder wenn jemand benachteiligt wird. Dieses Verfahren betrifft Personalangelegenheiten, also z.B. Einstellung, Eingruppierung, Kündigung. Das schwächste Verfahren ist
  3. die sog. Mitberatung. Da kann die MAV zwar Nein zu einer Maßnahme sagen, der Arbeitgeber darf die Maßnahme trotzdem umsetzen. Hier geht es z.B. um Betriebsänderungen, aber auch um fristlose oder Probezeitkündigungen.


Wo liegen die wesentlichen Unterschiede des Mitarbeitervertretungsgesetzes (MVG) zum BetrVG?

Insgesamt ist die Beteiligung nach dem MVG-EKD viel formalisierter als im BetrVG. Und die Durchsetzungsmöglichkeiten von MAVen reichen nicht so weit wie bei Betriebsräten. Das zeigt sich vor allem im Konfliktfall, denn beim Kirchengericht geht es nur um die Entscheidung, wer Recht hatte, Arbeitgeber oder MAV, dazwischen gibt es nichts. Betriebsräte können sich bei Initiativen eher durchsetzen als MAVen. Die Schulungs- und Freistellungsmöglichkeiten für MAVen sind schlechter, ebenso die Möglichkeiten für die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegen den Arbeitgeber.

In einem Punkt gibt es ab 2020 eine gewisse Angleichung an das BetrVG. Die MAV kann dann verlangen, dass eine betriebliche Einigungsstelle gebildet wird. Das halte ich erstmal für einen Fortschritt. Allerdings sind die Möglichkeiten im MVG-EKD schwächer als im BetrVG ausgestaltet. Und natürlich betreten die MAVen hier Neuland und müssen noch Erfahrungen sammeln.


Wie oft werden die MAVen der evangelische Kirche und Diakonie neu gewählt? Gibt es feste Zeiträume?

Die Wahlen finden alle vier Jahre statt, und zwar immer zwischen 1. Januar und 30. April des Wahljahres. Das nächste allgemeine Wahljahr wird 2022 sein. Dann wählen fast alle evangelischen Gliedkirchen und diakonischen Einrichtungen innerhalb der EKD.


Warum haben MAV-Mitglieder einen Rechtsschutz zweiter Klasse?

… weil der Rechtsschutz für MAVen in der EKD schlechter ausgestaltet ist als für Betriebsräte. Betriebsräte haben drei Instanzen, MAVen nur zwei. Zudem nimmt die zweite Instanz eine Beschwerde nur an, wenn eines von wenigen, engen Kriterien erfüllt ist. Für mich ist der Kirchengerichtshof, so heißt die zweite Instanz, keine vollwertige Berufungsinstanz. Die Erfahrung zeigt auch, dass viele Beschwerden vom KGH nicht angenommen werden.

Betriebsräte gehen zum weltlichen Arbeitsgericht, MAVen zu einem Kirchengericht, bei dem andere Regeln gelten.

Die Richter beim Kirchengericht sind meistens ehrenamtliche Pensionäre, die oft recht kirchennah sind. Beim Arbeitsgericht trifft man dagegen auf weltliche Richterinnen und Richter – ganz ohne kirchlichen Touch. Außerdem ist das Verfahren vor dem Kirchengericht überformalisiert, mit vielen engen Fristen und Vorschriften, es geht da schlicht um Schwarz oder Weiß, nicht um passgenaue Lösungen


Quelle: www.bund-verlag.de