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Schadensersatz wegen verzögerter Wiedereingliederung

Der Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen verpflichtet den Arbeitgeber auch, sie nach einer Krankheit wieder zügig ins Erwerbsleben einzugliedern. Ablehnen kann der Arbeitgeber nur bei begründetem Zweifel an der Arbeitsfähigkeit - so das Bundesarbeitsgericht.

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer nimmt seine Arbeitgeberin, die Stadt Frankfurt am Main, auf Schadensersatz wegen entgangenen Arbeitslohns für rund zwei Monate in Anspruch. Er wirft der Stadt vor, seine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben verzögert zu haben.


Klage nach verzögerter Wiedereingliederung

Der Kläger ist bei der Stadt als Technischer Angestellter beschäftigt. Von August 2014 bis einschließlich 6.3.2016 war er arbeitsunfähig erkrankt. Die Betriebsärztin befürwortete in ihrer Beurteilung vom 12.10.2015 eine stufenweise Wiedereingliederung. Der Arbeitnehmer sollte mit bestimmten Einschränkungen in seiner Tätigkeit über zwei Monate wieder vorsichtig an die Arbeitsfähigkeit herangeführt werden.

Einen ersten Antrag des Arbeitnehmers auf stufenweise Wiedereingliederung im Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016 lehnte die Stadt ab und verwies auf die Feststellungen der Betriebsärztin. Ein Einsatz des Arbeitnehmers sei wegen dieser Einschränkungen in seinem bisherigen Aufgabengebiet nicht möglich. Der behandelnde Arzt des Klägers hatte in seinem Wiedereingliederungsplan keine Einschränkungen genannt und vorgesehen, das dieser ab 18.1.2016 wieder voll arbeitsfähig sein solle.

Der Arbeitnehmer legte daraufhin einen zweiten Wiedereingliederungsplan vor, der eine Wiedereingliederung in der Zeit vom 4.1.2016 bis zum 4.3.2016 vorsah. Nach einer erneuten und - nun positiven - Beurteilung der Betriebsärztin stimmte die Stadt zu.

Diese Wiedereingliederung war erfolgreich, der Arbeitnehmer war ab dem 7.3.2016 wieder voll arbeitsfähig. Daraufhin verlangte er jedoch von der Stadt den Ersatz der Vergütung, die ihm in der Zeit vom 18.1. bis zum 6.3.2016 dadurch entgangen ist, dass die Stadt nicht schon dem ersten Wiedereingliederungsplan zugestimmt hat. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben (7.8.2017 - 7 Sa 232/17).


BAG: Stadt durfte ersten Antrag mangels Erfolgsaussicht ablehnen

Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nun die beklagte Stadt Erfolg. Der Achte Senat des BAG entschied, dass die Stadt nicht verpflichtet war, den Kläger schon ab dem 16.11.2015 wieder zur Wiedereingliederung zu beschäftigen.

Zwar könne der Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken, dass er die/den Beschäftigte/n entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt. Das ergibt sich aus dem Anspruch schwerbehinderter Menschen auf angemessene Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX (entspricht § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017).

Im Fall des Klägers lagen allerdings Umstände vor, aufgrund derer die beklagte Stadt ihre Zustimmung zum ersten Wiedereingliederungsplan verweigern durfte:

  • Aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin gab es Grund zu der Befürchtung, dass der Gesundheitszustand des Klägers eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen werde.
  • Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich auch nicht bis zum vorgesehen Beginn der Maßnahme ausräumen. Daher war die Stadt nicht zum Schadensersatz verpflichtet.


Hinweis für die Praxis

In diesem Fall hat der Arbeitnehmer erfreulicherweise seine Arbeitsfähigkeit und seinen Arbeitsplatz zurückerlangt. Schadensersatz für die Verzögerung erhält er nicht. Für ähnlich gelagerte Fälle ist jedoch wichtig: Der Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Arbeitnehmer (§ 164 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX) verpflichtet nach Auffassung des BAG den Arbeitgeber auch dazu, einen schwerbehinderten Beschäftigten nach einer Krankheit zügig wieder ins Erwerbsleben einzugliedern.


Quelle: www.bund-verlag.de