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Arbeitslohn - Mehr Geld für Mehrarbeit

Der Arbeitgeber darf Beschäftigte in Teilzeit gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht benachteiligen. Angewandt auf einen Tarifvertrag kann dies bedeuten, dass Teilzeitbeschäftigten Zuschläge für Mehrarbeit zustehen, die über ihre Teilzeitquote hinausgeht.

Von Bettina Krämer.

Die Arbeitnehmerin arbeitete als stellvertretende Filialleiterin in Teilzeit. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Er beinhaltet einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge und gibt Arbeitnehmern und Arbeitgebern die Möglichkeit eine Jahresarbeitszeit festzulegen und die dazugehörige Grundvergütung.

Die Arbeitnehmerin überschritt nach den zwölf Monaten mit ihrem Zeitkonto die vereinbarte Jahresarbeitszeit, erreichte aber noch nicht den Saldo einer Vollzeitarbeitskraft. Die Arbeitgeberin zahlte ihr die Grundvergütung, nicht aber die tariflichen Mehrarbeitszuschläge. Begründung: Die Zeit für eine Vollzeittätigkeit wurde durch die Überstunden nicht überschritten.  Die Arbeitnehmerin wollte dies nicht hinnehmen und klagte für ihre Überstunden auch den Mehrarbeitszuschlag ein. In letzter Instanz gewann sie auch vor dem BAG. Die Arbeitgeberin muss die Zuschläge bezahlen. 


BAG bejaht Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge

Das BAG machte deutlich, dass die Auslegung des Tarifvertrags klar ist und höherrangigem Recht entspricht. Dem steht auch § 4 Abs. 1 TzBfG nicht entgegen. Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit haben danach einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Als Ausgangpunkt müssen die einzelnen Entgeltbestandteile, nicht die Gesamtvergütung, betrachtet werden. 

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dürfen wegen Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbarer Vollzeitbeschäftigte. Würden die Mehrarbeitszuschläge erst dann bezahlt, wenn die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschritten wird, sei dies eine Benachteiligung – so das Gericht.

Für Teilzeitkräfte muss daher auch die Zahl der Arbeitsstunden, ab der Mehrarbeitsvergütung zu zahlen ist, proportional niedriger sein.


Wichtiger Kurswechsel in der Rechtsprechung

Mit der vorliegenden Entscheidung schloss sich der Zehnte Senat des BAG der Auffassung des Sechsten Senats an (vgl. BAG, Urteil v. 23.03. 2017- 6 AZR 161/16). Der Sechste Senat hatte bereits im März 2017 entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte bereits bei Überschreitung der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit Anspruch auf Überstundenzuschläge haben. Damit konnten schon ab diesem Zeitpunkt erheblich mehr Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge geltend machen. Der Zehnte Senat bestätigt diese Ansicht nun auch für Vereinbarungen, die eine Jahresarbeitszeit als Grundlage haben. 


Hinweis für die Praxis

Für Arbeitnehmer ist diese Entscheidung sehr wichtig. Noch im April 2017 hatte der Zehnte Senat (BAG, Urt. v. 26.04.2017 - 10 AZR 589/15) entschieden, dass der Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge auch bei einer Teilzeitarbeitnehmerin voraussetzt, dass sie die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschreitet. Diese Ansicht hat das Gericht nun richtigerweise revidiert.

Es ist definitiv nicht mehr erforderlich, dass ein Teilzeitarbeitnehmer zunächst die Arbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers erreicht. Der Anspruch auf die Mehrarbeitszuschläge entsteht schon vorher. Damit tritt das BAG einer in der Praxis oft vorkommende Ungerechtigkeit endgültig entgegen: Denn Arbeitnehmer mit reduzierter Wochenarbeitszeit waren für manche Arbeitgeber eine sehr »kostengünstige« Methode, um Auftragsspitze ohne tarifliche Zuschläge abzuarbeiten.

Ein Teilzeitbeschäftigter darf aber nicht schlechter behandelt werden als ein in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer. Aus diesem Grund ist die Entscheidung begrüßenswert und sorgt für rechtliche Klarheit bei Zuschlägen bei Überstunden.


Tipps für Beschäftigte

Wer als Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge geltend machen will:

  • muss immer die tarif- oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen im Blick haben. Ansprüche lassen sich oft nur innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen.
  • muss den Anspruch als Arbeitnehmer selbst geltend machen. Der Betriebsrat kann eine Überstundenvergütung oder Zuschläge für einzelne Beschäftigte nicht einklagen.
  • sollte dokumentieren, wann welche Überstunden/Aufgaben angeordnet wurden und von welchem Vorgesetzten. Nur so kann eine Klage beim Arbeitsgericht zum Erfolg führen.


Kann der Betriebsrat helfen?

Als Betriebsrat können Sie Beschäftigte über die Rechtslage und die Fristen für die Geltendmachung informieren. Auch im Vorfeld kann Ihr Gremium sich kollektivrechtlich einsetzen, denn die Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden unterliegt in vollem Umfang der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Dies gilt insoweit auch für Überstunden eines einzelnen Arbeitnehmers, sobald ein kollektiver Bezug erkennbar ist. Also ran an die Mitbestimmung!

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH


Quelle: https://www.bund-verlag.de/