Keine Betriebsvereinbarung ohne Beschluss
Eine Betriebsvereinbarung erfordert einen Beschluss des Betriebsrats. Fehlt dieser, ist sie unwirksam, selbst wenn alle Betriebsratsmitglieder einzeln unterschrieben haben. Der Arbeitgeber kann sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, dass die Vereinbarung wirksam ist. Von Yuliya Zemlyankina.
Der Arbeitgeber wollte einige bereits geltende Betriebsvereinbarungen ändern. Hierfür ließ er die Belegschaft über die Entwürfe abstimmen. Den von der Belegschaft schließlich akzeptierten Entwurf unterzeichnete er als eine neue Betriebsvereinbarung. Das Bedenken des Betriebsratsvorsitzenden bezüglich der Rechtsmäßigkeit des Zustandekommens einer Betriebsvereinbarung durch die »Urabstimmung« der Belegschaft räumte der Arbeitgeber aus: Die Vorgehensweise sei anwaltlich abgesichert und rechtens.
Daraufhin unterzeichnete der Betriebsratsvorsitzende die Betriebsvereinbarung und unterrichtete die Belegschaft in einem Aushang, den er zuvor von allen Betriebsratsmitgliedern nacheinander unterzeichnen ließ. Später ließ der Betriebsrat erfolgreich arbeitsgerichtlich feststellen, dass eine solche Betriebsvereinbarung unwirksam war.
Betriebsratsbeschluss unverzichtbar
Das Landesarbeitsgericht (LAG) stellte klar, dass der wirksame Abschluss einer Betriebsvereinbarung unverzichtbar einen darauf bezogenen, wirksamen Betriebsratsbeschluss voraussetzt. Nach dem Grundgedanken des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist der Betriebsrat ein Kollegialorgan, der seinen gemeinsamen Willen durch Beschlüsse bildet. Und diese müssen ordnungsgemäß und im Einklang mit den Vorschriften des BetrVG zustande kommen.
Ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss
Ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats setzt voraus:
- der Betriebsrat befasst sich mit dem Sachverhalt auf einer Betriebsratssitzung
- die Betriebsratsmitglieder wurden ordnungsgemäß eingeladen
- das Gremium ist beschlussfähig
- das Gremium hat durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt.
An der letzten Voraussetzung fehlte es im vorliegenden Fall. Der Betriebsrat hatte vor Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung keinen entsprechenden Beschluss gefasst.
Nachträgliche Beschlussfassung möglich
Der Betriebsrat hätte das Handeln seines Vorsitzenden nachträglich durch einen Beschuss genehmigen können. Aber auch eine solche Entscheidung muss durch eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates als Kollegialorgans zustande kommen. Dass die Betriebsratsmitglieder den Aushang nachträglich und nacheinander unterzeichnet haben, stellte keinen Beschluss dar und konnte den Fehler nicht heilen.
Vertrauensschutz und Rechtsschein
In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht (ArbG) Wesel den Antrag des Betriebsrats abgewiesen, die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung festzustellen. Das Argument des Gerichts: Der Arbeitgeber genieße Vertrauensschutz. Der Arbeitgeber dürfe darauf vertrauen, dass ein wirksamer Beschluss zustande gekommen ist, weil alle Betriebsratsmitglieder auf dem Aushang unterschrieben hatten (ArbG Wesel, 6.9.2017 - 5 BV 41/16). In diesem Fall müsse der Betriebsrat sich an diesen erweckten Rechtsschein festhalten lassen.
Kein Rechtsschein bei Betriebsvereinbarungen
Dieser Ansicht folgte das LAG Düsseldorf nicht und änderte den Beschluss ab. Ein Vertrauensschutz des Arbeitgebers könne bei konkreten Mitbestimmungsfragen entstehen. Betriebsvereinbarungen wirken hingegen auf die Arbeitsverhältnisse wie Gesetze ein, § 77 Abs. 4 BetrVG. Sie können deshalb nicht über Vertrauensschutz kraft Rechtsscheines rechtliche Wirkung entfalten, sondern müssen unbedingt wirksam zustande gekommen sein.
Praxistipp: Neuer Beschluss heilt Mängel
Die besprochene Entscheidung zeigt nicht nur auf, wie eine wirksame Beschlussfassung zu erfolgen hat, sondern dass auch eine fehlende Beschlussfassung nachgeholt werden kann und dass ein solcher Mangel heilbar ist. Der Betriebsrat soll dennoch korrekte Beschlüsse fassen. Eine nachträgliche Korrektur von Mängeln sollte unbedingt eine Ausnahme bleiben.
Bei einer - mangels Übermittlung der Tagesordnung - fehlerhaften Ladung zu einer Betriebsratssitzung, kann der beschlussfähige Betriebsrat in einer Abstimmung einstimmig beschließen, über die Punkte der Tagesordnung zu beraten und abzustimmen (BAG 15.04.2014, 1 ABR 2/13 (B)).
Notwendig beschließen muss der Betriebsrat auch, wenn er einen Prozessbevollmächtigten mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht beauftragen will. Einen fehlerhaften bzw. fehlenden Beschluss kann der Betriebsrat noch bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts nachholen – wiederum nur durch einen ordnungsgemäßen Beschluss.
Yuliya Zemlyankina, DGB Rechtsschutz GmbH
Quelle: www.bund-verlag.de