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7 Fragen zum Bereitschaftsdienst

Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, darf aber geringer vergütet werden als Vollarbeit. Die Höchstarbeitszeiten werden oft gerissen, da für Bereitschaftsdienste Ausnahmen gelten. Das schadet der Gesundheit und erhöht in vielen Fällen das Haftungsrisiko. Hier ein Überblick.


1. Was ist Bereitschaftsdienst?

Arbeitnehmer leisten Bereitschaftsdienst, wenn sie sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle (im Betrieb oder in dessen Nähe) aufhalten, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Anders als bei der Arbeitsbereitschaft muss der Arbeitnehmer nicht permanent beobachten, ob Arbeitsbedarf für ihn gegeben ist oder nicht. Er muss sich nur zum Abruf durch den Arbeitgeber bereithalten.

Wie der Arbeitnehmer sich während des Bereitschaftsdienstes beschäftigt, bleibt ihm überlassen. Er kann lesen, fernsehen, aber auch schlafen.

Bereitschaftsdienst leisten Ärzte, die sich in der Klinik am Wochenende oder nachts aufhalten, um bei Notfällen schnell einsatzbereit zu sein. Bereitschaftsdienst leisten aber auch Polizisten, Feuerwehrleute, Fernfahrer, während der Kollege den LKW steuert, aber auch Taxifahrer während ihrer Standzeiten.


2. Kann der Arbeitgeber Bereitschaftsdienst anordnen?

Da Bereitschaftsdienst eine Sonderform der Arbeitszeit ist, kann sie vom Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts nur angeordnet werden, wenn entweder der Arbeits- oder der Tarifvertrag dieses Arbeitszeitmodell vorsehen. Bei der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst muss der Arbeitgeber gemäß § 106 GewO nach billigem Ermessen vorgehen.

Dies führt in der Praxis insbesondere dazu, dass der Arbeitgeber entsprechende Dienste gleichmäßig unter den in Frage kommenden Arbeitnehmern verteilen muss. Zudem hat er auf betriebsärztlich attestierte gesundheitliche Einschränkungen beispielsweise für Nachtarbeit Rücksicht zu nehmen.


3. Ist Bereitschaftsdienst Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes?

Ja - inzwischen steht fest, dass die Zeiten des Bereitschaftsdienstes in vollem Umfang der Arbeitszeit zuzurechnen sind. Der Weg dahin war allerdings lang, denn früher gingen Arbeitgeber davon aus, dass nur die Zeiten der echten Inanspruchnahme der Beschäftigten während des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit zu werten sind. Die übrige Zeit galt als Ruhezeit. Diese Position ist nun Vergangenheit.

Dass der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit anerkannt wird, ist letztlich dem EuGH zu verdanken, der diese Position in mehreren Entscheidungen in Auslegung der EU-Arbeitszeitrichtlinie durchgesetzt hat und auch immer noch wichtige Leitlinien im Arbeitszeitrecht vorgibt. So hat der EuGH zuletzt bei einem Feuerwehrmann, der sich zuhause aufhält, Bereitschaftsdienst und damit Arbeitszeit angenommen, sofern er binnen acht Minuten seine Arbeit aufnehmen muss (EuGH 21.2.2018 – C 518/15).

Deutsche Gerichte hatten hier bereits entschieden, dass Bereitschaftsdienst sogar vorliegt, wenn der Arbeitnehmer sich binnen zehn oder zwanzig Minuten am Arbeitsort einfinden muss (BAG 19.12.1991 – 6 AZR 592/889; BAG 31.1.2002 – 6 AZR 214/00). In allen Fällen handelt es sich um volle Arbeitszeit. Dass auch Schlafenszeiten vor allem beim Pflegepersonal im Krankenhaus Bereitschaftsdienst und damit in vollem Umfang Arbeitszeit sind, bestreitet heute niemand mehr.

Das ArbZG wurde inzwischen angepasst und erkennt Bereitschaftsdienst ebenfalls als Arbeitszeit an (vor allem durch § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG).


4. Gibt es für Bereitschaftsdienste Höchstarbeitsgrenzen?

Ja – Bereitschaftsdienste zählen voll zur Arbeitszeit. Bei der Frage, ob die Höchstgrenze von acht oder zehn Stunden täglich oder 48 Stunden wöchentlich überschritten wird, müssen Bereitschaftsdienste daher eigentlich voll mit gerechnet werden.

Allerdings wird Bereitschaftsdienst meist außerhalb der regulären Arbeitszeit angeordnet. Daher ist es zulässig, in gewissem Umfang von den Begrenzungen des ArbZG – also den Höchstarbeitszeiten von 10 Stunden und der Ruhezeit von 11 Stunden – durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abzuweichen.

Allerdings sind diese Abweichungen nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Nach § 7 Abs. 1 ArbZG darf die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag verlängert werden, wenn in die normale Arbeitszeit »regelmäßig und in erheblichem Umfang« Bereitschaftsdienst fällt. Von dieser Regelung wird vor allem im Kranken- und Pflegebereich und im öffentlichen Dienst Gebrauch gemacht. Durch diese Öffnungsklausel dürfen die Tarifparteien sogar 24-Stunden-Dienste zulassen.

Damit diese Vorschrift kein Einfallstor für willkürliche Arbeitszeitverlängerungen darstellt, muss folgendes gesichert sein:

  1. Es muss gesichert sein, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Die Arbeitszeitverlängerung ist ja letztlich vom Gesetzgeber auch nur zugelassen worden, weil man davon ausgeht, dass Bereitschaftsdienst faktisch mit weniger Belastung verbunden ist als Vollarbeit. Ist dies in der Praxis aber nicht der Fall, sollte die Vorschrift des § 7 Abs. 1 ArbZG letztlich nicht greifen dürfen.
  2. Der Bereitschaftsdienst muss wirklich »regelmäßig und in erheblichem Umfang« bestehen. Hier ist angesichts der gravierenden Folgen für den Arbeitsschutz ein strenger Maßstab anzulegen. Wann ein »erheblicher Umfang« an Bereitschaftsdienst vorliegt, der eine Arbeitszeitverlängerung erlaubt, ist durchaus strittig. Das BAG hat zuletzt einen Anteil von 25 % genügen lassen (BAG 6.9.2018 – 6 AZR 204/17). Teilweise werden 30 % gefordert.

Die Arbeitsverlängerung kann generell nur maximal um den Zeitraum des Bereitschaftsdienstes zulässig sein. Und die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden darf im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten (so § 7 Abs. 8 ArbZG) nicht überschritten werden. Der Ausgleichszeitraum ist also im Falle des Bereitschaftsdienstes länger als bei der üblichen Verlängerung der täglichen Arbeitszeit (dort umfasst er nur 6 Monate). Das heißt aber auch: eine im Durchschnitt von 12 Monaten berechnete wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden ist auch bei Vorliegen von Bereitschaftsdiensten nicht zulässig.

Ruhezeiten und Ruhepausen sind wie üblich einzuhalten.


5. Gibt es auch Arbeitszeitverlängerungen ohne Zeitausgleich?

Ja – ganz ausnahmeweise gibt es diese. Und zwar durch eine weitere Tariföffnungsklausel: Die sogenannte »opt-out«-Regelung (§ 7 Abs. 2a ArbZG i. V. m. Abs. 7 ArbZG) erlaubt es den Tarif- und Betriebspartnern bei regelmäßigem Vorliegen von Bereitschaftsdienst in erheblichem Umfang, die Arbeitszeit ohne Ausgleich auf über acht Stunden werktäglich zu verlängern: Dies betrifft insbesondere den Krankenhausbereich, Rettungsdienste sowie Betreuungseinrichtungen mit Nachtbereitschaften, hier insbesondere Jugendhilfe, Behindertenhilfe oder Sozialpsychatrie.

Erforderlich für diese »opt-out«-Regelung ist eine Einwilligung des Arbeitnehmers, die schriftlich vorliegen muss. Ein vorsorgliches Einverständnis, dass der Arbeitgeber bei Bedarf die Arbeitszeit erhöhen kann, ist unzulässig. Weitere Voraussetzung ist, dass durch besondere Regelungen sicher gestellt ist, dass die Gesundheit des Beschäftigten nicht gefährdet wird.


6. Wie wird Bereitschaftsdienst vergütet?

Klare gesetzliche Regelungen für die Vergütung von Bereitschaftszeiten gibt es nicht. Das BAG geht davon aus, dass Bereitschaftsdienst vergütungspflichtige Arbeitszeit im Sinne des § 611 BGB ist. Da allerdings in den meisten Fällen Bereitschaftsdienste gegenüber der normalen Vollarbeit mit deutlich weniger intensiven Belastungen verbunden sind, ist es zulässig, dass die Vergütung geringer ausfällt. In vielen Tarifverträgen ist das auch so vorgesehen. Das ist rechtlich in Ordnung, solange der Mindestlohn eingehalten wird – so das BAG in einem Grundsatzurteil des 5. Senats vom 29.6.2016 – 5 AZR 716/15.

 

Der TVöD sieht – beispielsweise – in § 9 für die Vergütung spezifischer Bereitschaftszeiten eine sog. Faktorisierung vor. Im Tarifvertrag für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVöD-K) steht Arbeitnehmern für den geleisteten Bereitschaftsdienst ein sogenanntes Bereitschaftsdienstentgelt zu.

Ist die Vergütung allerdings weder im Tarif- noch im Arbeitsvertrag geregelt, muss man davon ausgehen, dass die »übliche Vergütung« der Normalarbeitszeit (§ 612 Abs. 2 BGB) zu zahlen ist.

Für Bereitschaftsdienststunden während der Nacht gelten aufgrund der besonderen Belastung Sonderregelungen. Der Arbeitgeber muss dem Beschäftigten für Nachtdienste als Kompensation einen angemessenen Zuschlag oder bezahlte Freizeit gewähren, soweit nicht sowieso – wie in den meisten Fällen – tarifliche Ausgleichsregelungen bestehen (§ 6 Abs. 5 ArbZG).


7. Muss der Betriebsrat mitbestimmen?

Ja. Die Einführung und Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes, z. B. in Form eines Bereitschaftsdienstplanes unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Im Nichteinigungsfall entscheidet die Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen im Zusammenhang mit Bereitschaftsdiensten unter anderem auch die

  • Festlegung der Uhrzeiten von Beginn und Ende eines Bereitschaftsdienstes und
  • Bestimmung, welche Arbeitnehmer wann Bereitschaftsdienst leisten sollen.


Quelle: www.bund-verlag.de